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[Porträt]

Alfred Schoeck (1841-1931)

"...ein Jäger, Wanderer, Sammler, vor allem ein Maler..." (Meinrad Inglin)

Der Grossvater hatte es durchgesetzt, Musiker werden zu dürfen. Der Vater heiratete eine Erbtochter aus der Seidenbranche (deren Familie sich auf der Frauenseite bis auf Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein zurückverfolgen lässt) und wurde ein schwerreicher Mann, der mit einem Negerknaben auf dem Kutschbock durch das biedermeierliche Basel fuhr und sich mit 44 Jahren von der Frau, die ihm sechs Kinder geschenkt hatte, scheiden liess, um deren jüngeres Ebenbild zu heiraten. Den Sohn Alfred zog es wiederum zur Kunst - wie später seine eigenen Söhne. Nach Überwindung der üblichen Familienwiderstände - der Vater steckte den einzigen ihm verbliebenen Erben in eine Banklehre - begann Alfred das Studium der Landschaftsmalerei bei Horner in Basel, bevor er sich bei Diday in Genf ausbilden liess.

[Glasplatte] Studienreisen in die Lofoten (1866) und die Dobrudscha (1868) - Schoeck hatte sich bei Brehm ("Brehms Tierleben") in Hamburg erkundigt, wo er am besten gleichzeitig malen und jagen könne - brachten den Durchbruch zu völliger Eigenständigkeit; 1871 erhielt er den Auftrag für das monumentale Rhonebild, das leider verschollen ist und sich nur aus den Skizzen rekonstruieren lässt. Der gleiche Auftraggeber lud ihn 1873 ein, den Urwald in Nova Scotia zu malen; unter den photographischen Aufnahmen auf Glasplatten, die Schoeck neben zahlreichen Skizzen nach Hause brachte, zeigen einzelne den Maler vor seinem Objekt an der Staffelei.

Durch seine Heirat mit Agathe Fassbind 1876 in Brunnen sesshaft geworden, verarbeitete der Maler im Atelier der "Villa Ruhheim" seine Studien zu einer imposanten Reihe grosser Gemälde; daneben malte er unermüdlich weiter im Freien und gestaltete neben den bevorzugten Motiven der Umgebung (Urirotstock, Urnersee, Mythen) auch völlig unspektakuläre Ausschnitte der heimischen Landschaft. Reisen nach Italien und Nordafrika brachten dem fast Siebzigjährigen nochmals neue Impuls. Seine Schaffenskraft blieb Alfred Schoeck bis ins hohe Alter erhalten - so wie es Hermann Hesse in seinen "Erinnerungen an Othmar Schoeck" schildert:

Vor allem aber waren da in unerschöpflicher Fülle Früchte eines stillen Fleisses und einer grosszügigen Wanderleidenschaft und Weltneugierde, die Naturstudien von des Alten Hand, meisterhafte Studien aus vielen Ländern und Breitengraden, namentlich aber aus Süditalien und aus dem hohen Norden: Felsenküsten und farbige Hafensiedlungen auf den Lofoten, norwegische Fjorde, violett blühende nordische Heide. Inmitten dieser Sachen empfing uns zuweilen der alte Herr, die Mütze über dem weissen Haar, die hellen klugen Augen freundlich blickend, von uns und der Aussenwelt nicht mehr erregbar, aber keineswegs weltfremd. Oft habe ich ihn an der Staffelei gesehen, sorgfältigst mit seiner Palette beschäftigt; manchmal blickte er über den blaugrünen See zum Urirotstock hinüber, dann mischte er wieder prüfend seine abgetönten Blau und Grau, das Hotel unter ihm und die Welt unter ihm mochten ihren Gang gehen, er ging den seinen.
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[Porträt]

Agathe Schoeck-Fassbind (1855-1927)

"...die Mutter Schoeck mit dem Falkenprofil und den leidenschaftlichen Augen..." (Hermann Hesse)

[Schiltenüüni] Die Eltern von Agathe Fassbind hatten in Brunnen das Hotel Rössli geführt, wo auch der Bayernkönig Ludwig II. Station machte und sich vor allem für den Zwetschgenkuchen der Hausfrau begeisterte (er soll einen Bedienten mitten in der Nacht von Altdorf nach Brunnen geschickt haben, um mehr von dieser Spezialität zu besorgen). Das relativ bescheidene Haus in der historischen Häuserzeile des "Schiltenüüni" (hier in einer Kinderzeichnung von Paul Schoeck) genügte den wachsenden Ansprüchen des aufstrebenden Fremdenorts nicht mehr, und der "Marschall Vorwärts", wie Mutter Nanette Fassbind-Steinauer in Anlehnung an Blücher genannt wurde, verfolgte den Plan eines Hotels, das auch den modernsten Erfordernissen entsprechen sollte. So wurde vorne am See das Hotel Waldstätterhof (unten: Kinderzeichnung von Othmar Schoeck) gebaut, wo in der Folge abstieg, was in Europa Rang und Namen hatte.

[Waldstätterhof] Die drei Töchter und der Sohn übernahmen nach den üblichen Pensionats- und Sprachaufenthalten ihre Aufgaben im elterlichen Betrieb; dort begegnete Agathe dem Basler Alfred Schoeck, der wie manche seiner berühmten Kollegen an den Urnersee gekommen war, um hier zu malen. Die Verbindung mit einem Künstler und dazu noch einem Protestanten dürfte in der streng katholischen Umgebung zu reden gegeben haben.

In ihrem Heim und später im Hotel Eden war Agathe Schoeck-Fassbind, obwohl selber temperamentvoll genug, so etwas wie der ruhende Pol und das Zentrum, wo die Fäden zusammenliefen. Ihr vor allem war es zu verdanken, dass mancher, der als Gast ins Eden kam, es als Freund verliess; und Freunde, die eigenen und die der Söne, waren gern im Eden zu Gast. Sie hielt die Verbindungen nach allen Seiten aufrecht, und das Echo auf ihre ausgedehnte Korrespondenz zeigt, dass sie gern und mühelos geschrieben haben muss; ihre eigenen Briefe sind leider bis auf wenige Ausnahmen verloren.

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[Porträt]

Paul Schoeck (1882-1952)

studierte an der ETH Zürich Architektur; von seinem Wirken zeugen zahlreiche Bauten in Brunnen und Umgebung.

Während eines Studienaufenthalts in Florenz und Rom 1908/9, wo er sein Wettbewerbsprojekt für ein Nationaldenkmal in Schwyz zum Abschluss zu bringen hoffte, erkannte er, dass er eigentlich "nicht architektonische, sondern dramatische Pläne verwirklichen wollte" (Meinrad Inglin); noch in Italien entstand das Versdrama "Maria von Magdala", das - wie das rund zehn Jahre später entstandene "Inselmärchen" - ungedruckt blieb. Vom geplanten Drama über Niklaus von Flüe liegen neben mehr oder weniger ausführlichen Entwürfen nur einzelne ausgearbeitete Szenen vor. Einen Namen machte er sich aber als Dichter des schwyzerdeutschen "Tell" (uraufgeführt 1920 am Zürcher Schauspielhaus), der in der Dialektliteratur neue Massstäbe setzte.

Brotberuf blieb die Architektur; die Mobilmachung des Ersten Weltkriegs hatte den damals in München Tätigen auf der Rückreise von einem Auftrag in St. Petersburg überrascht und ihn gezwungen, Hals über Kopf nach Brunnen zurückzukehren, wo er in der Folge blieb, zunächst im Vaterhaus, schliesslich, zusammen mit seiner Frau, der französischen Pianistin Renée Zürcher, in der "alten Post", seinem ersten, 1907 realisierten Bau.
Selber am Klavier ausgezeichneter Blattspieler, war er in jungen Jahren der bevorzugte Partner seines Bruders Othmar beim Vierhändigspielen; ausgeprägter allerdings waren bei ihm die malerischen Neigungen, die sich am eindrücklichsten in seinen Aquarellen zeigen.

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[Porträt]

Ralph Schoeck (1884-1969)

Professor für Maschinenbau am Technikum Winterthur. Nach seinem Studium und der Assistentenzeit an der ETH Zürich hatte er sich zunächst bei der Maschinenfabrik Oerlikon mit der Entwicklung eines Flugzeugmotors beschäftigt, einen Ellipsenzirkel erfunden und sogar mit dem Gedanken gespielt, Berufsoffizier zu werden. Leidenschaftlicher Naturfreund und Berggänger, dem sein Bruder Othmar den Liederzyklus "Wanderung im Gebirge" widmete. Meinrad Inglin hat den Abwesenden in seinem Fragment "Nachts bei den Brüdern Schoeck" porträtiert:

Ralph, der zweitälteste, war nicht da, er war Professor am Technikum in Winterthur und kam nur in den Ferien für längere Zeit heim. Seine geachtete Stellung und gesicherte Existenz verschafften ihm ein Ansehen, das die labileren Brüder freute, aber er hatte seinen Anteil an der väterlichen Erbschaft, durchwanderte mit Vorliebe das wildeste Bergland und schien den Tieren oft mehr zugetan als den Menschen. Als junger Offizier war er von einem ungeschickten Vorgesetzten falsch behandelt worden, aber als ich ihn näher kennenlernte, war er der denkbar zuverlässigste Bataillonsadjutant. Er war grossgewachsen, hager, zäh, ein grundgütiger, gerader, lauterer Mann. der alle seine Brüder überleben sollte, bis ins hohe Alter starke schwarze Toscanelli rauchte und den Vögeln vor dem Fenster täglich den Futtertisch deckte.
Als 1952 das Hotel Eden verkauft wurde, erwarb er die Villa und rettete damit das Vaterhaus für die Familie.

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[Porträt]

Walter Schoeck (1885-1953)

"Walter, unser Cellist, der das Hotel führte, aber mit seinen Talenten kein Hotelier war..." (Meinrad Inglin)

Da seine drei Brüder eindeutiger abgegrenzte Berufswünsche anmeldeten, wurde der Zweitjüngste trotz ausgeprägter Neigungen in musikalischer und sprachlicher Richtung dazu ausersehen, die Führung des elterlichen Hotels zu übernehmen; der Saisonbetrieb, der im Herbst schloss und erst an Ostern wieder begann, schien zunächst auch Zeit genug für seine zahlreichen Interessen übrigzulassen
Nach Abschluss der Handelsschule in Zürich (1904) wartete bereits die erste Sommersaison auf ihn; die Wintermonate benützte er in den kommenden Jahren zur praktischen Weiterbildung im Hotelfach in Florenz, London und im ägyptischen Assuan.

Die Vergrösserung der Bettenzahl, die sich wegen des florierenden Fremdenverkehrs aufdrängte, erreichte er durch einen Anbau, den Paul Schoeck 1913 entwarf und ausführte - unmittelbar bevor der Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Hotels leerstehen liess. Die Zwanzigerjahre brachten nochmals eine kurze wirtschaftliche Blütezeit, in der Walter Schoeck, seit 1920 unterstützt von seiner Frau Caroline, das Erstklasshotel in seiner einmaligen Kombination von herrschaftlichem Privathaus, Atelier und Hotel erfolgreich führen konnte.

Diese Jahre spiegeln sich in den Erinnerungen von Hermann Hesse und vor allem von Meinrad Inglin, der den Cellisten Walter Schoeck nicht nur als musikalischen Partner im Streichquartett hochschätzte:

Er begnügte sich, wie schon oft, mit der Rolle des Gastgebers, obwohl er aus seiner Welterfahrung und musikalischen Bildung heraus an solchen Sitzungen jeweilen sein eigenes Wort zu sagen gehabt hätte.
Während Walter Schoeck sich die Zeit für die Musik auch unter schwierigsten Umständen abrang und als gesuchter Cellist in verschiedenen Kammermusikformationen und Orchestern spielte, kam er zum Schreiben eigentlich nur in den wirtschaftlich schwierigsten Zeiten, und seine Dramen ("Grazien", "Das Irrenhaus", "Bürger Albrecht" und "Dämonen") blieben unverüffentlicht. Am schönsten verbanden sich seine Musikalität und seine schriftstellerische Begabung in den beiden Bändchen mit musikalischen Essays, "Der Musikbeflissene" und "Am Notenpult", für deren Titelbilder Zeichnungen seines heranwachsenden Sohnes Georg verwendet wurden. Zu seinen wesentlichen Verdiensten gehört aber auch, dass das "Eden" durch Krise und Weltkriege hindurch für alle Brüder zeitlebens Heimat und Stützpunkt bleiben konnte.

Dass das "Eden" so auch für den weitgespannten Freundeskreis eine zentrale Rolle spielte, versteht sich von selbst. Unter den zahlreichen bekannten und weniger bekannten Namen wäre hier etwa Heinrich Danioth zu erwähnen, der Walter Schoeck dreimal porträtiert hat (hier die Kohlezeichnung am Cello) - unter anderem auch zum Dank für die Farben und Pinsel, die ihm der Freund in der Mangelsituation der Kriegsjahre aus den Beständen Alfred Schoecks geschenkt hatte.

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[Porträt]

Othmar Schoeck (1886-1957)

Obwohl sich seine musikalische Begabung schon früh in Kompositionsversuchen zeigte, besuchte Othmar Schoeck zunächst in den Fussstapfen seiner älteren Brüder die technisch orientierte Industrieschule in Zürich (das heutige mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium), bis sein mangelndes Interesse an eben diesen Hauptfächern ihn dort scheitern liess. Nachdem er kurze Zeit noch zwischen Malerei und Musik geschwankt hatte, trat er 1904 ins Zürcher Konservatorium ein. Bereits während dieser Ausbildung gelangten erste Kompositionen zur Aufführung, und nach dem Abschluss trat er, von Max Reger "dringend" dazu aufgefordert, für ein Jahr in dessen Kompositionsklasse am Konservatorium Leipzig ein.

[Schoeck 1908 kehrte Schoeck nach Zürich zurück; seinen Unterhalt verdiente er sich durch Leitung verschiedener Chöre und Musikunterricht, um vor allem zu komponieren: in erster Linie Lieder, aber auch Instrumentalwerke, und, von 1916 an, acht Bühnenwerke (von denen zu Schoecks Lebzeiten "Don Ranudo" 1919, in jüngerer Zeit "Venus" 1922 und "Penthesilea" 1927 am häufigsten gespielt wurden). In diesen frühen Jahren beginnt auch die Freundschaft mit Hermann Hesse, die sich 1911 und 1913 in gemeinsamen Italienreisen bewährte und ein Leben lang andauerte.

Die Leitung der St. Galler Sinfoniekonzerte, die er übernahm, ohne seinen Zürcher Wohnsitz aufzugeben, zusammen mit der etwa gleichzeitig (1917) einsetzenden Unterstützung durch den Winterthurer Mäzen Werner Reinhart, ermöglichten es Schoeck, die übrigen Brotbeschäftigungen aufzugeben und ungestörter zu komponieren.

Die Lebendigkeit seines Dirigierens, vor allem aber die Sensibilität seiner Liedbegleitung sind in einzelnen historischen Aufnahmen greifbar geblieben und heute dank CD-Neuausgaben wieder allgemein zugänglich. Überhaupt ist Schoecks Musik seit einigen Jahren auf dem Plattenmarkt gut vertreten; neben Gesamtaufnahmen von mehrereren Opern ("Venus", "Penthesilea" und "Massimilla Doni"), Kammermusik und Instrumentalkonzerten ist vor allem die imposante demnächst abgeschlossene Gesamtausgabe sämtlicher Klavierlieder (12 CDs) hervorzuheben, die bei Jecklin erscheint; auf jedem Booklet ist übrigens eine Ölskizze des Komponisten abgebildet, die beweist, dass er seine Doppelbegabung weitergepflegt hat.
1926 heiratete er die Frankfurter Sängerin Hilde Bartscher, mit der er kurz vor Geburt der Tochter Gisela in Zürich-Wollishofen sein bleibendes Domizil bezog. Die Verleihung des Ehrendoktortitels durch die Universtität Zürich 1928 war die erste einer ganzen Reihe von Ehrungen; für Einzelheiten sei auf die umfangreiche biographische Literatur verwiesen.

Im elterlichen Haus an der Zürcher Lettenholzstrasse verwaltet Gisela Schoeck nach wie vor das Erbe des Vaters; der grösste Teil des musikalischen Nachlasses ist in der Musikabteilung der Zentralbibliothek Zürich deponiert, deren Leiter Dr. Chris Walton sich als Schoeck-Forscher und -Biograph einen Namen gemacht hat.

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